Die Grafik zeigt die Anzahl der gesetzgeberischen Interventionen im Zusammenhang mit der Grundsicherung für Arbeitsuchende im Zeitraum von 2004 bis 2025 nach Art der Gesetze. Erfasst werden Änderungen im Grundgesetz, Änderungen an Haushaltsgesetzen, SGB-II-Gesetzen und sonstigen Gesetzen, mit Folgen für das SGB II. Besonders hoch war die gesetzgeberische Interventionsdichte in ihrer bis 2011 währenden Konstitutionsphase. In den Folgejahren blieb der gesetzliche Rahmen der Grundsicherung eher konstant, bevor in den durch die COVID-19-Pandemie eingeleiteten Krisenjahren die Zahl an Gesetzesänderungen wieder zunahm. Die Darstellung beruht auf einer eigenen Recherche des IAB.

Konstitutionsphase

Die Konstitution der Grundsicherung für Arbeitsuchende war, trotz der mehrjährigen Vorbereitung der Reform, zum Zeitpunkt ihrer Einführung im Januar 2005 keineswegs abgeschlossen. Vielmehr waren gesetzlicher Auftrag, Leistungsspektrum und Organisationsmodell des SGB II bis ins Jahr 2011 hinein noch stark in Bewegung. Hiervon zeugt nicht nur die große Zahl an Änderungen in dieser Zeit, sondern auch, dass diese tiefgreifend in die anfängliche Rechtsgestalt des SGB II eingegriffen haben. Die gesetzlichen Änderungen waren dabei nicht allein politisch motiviert, sondern reagierten zudem auf zwei Grundsatzurteile des Bundesverfassungsgerichts. Bereits 2007 hatte das Gericht die Arbeitsgemeinschaften von Arbeitsagentur und Kommune (ARGE) für verfassungswidrig erklärt. Drei Jahre später stuften die Karlsruher Richterinnen und Richter auch die bis dahin geltende Regelsatzberechnung als nicht verfassungskonform ein.

Entwicklungsphase

Mit dem Inkrafttreten der Gesetze zur „Ermittlung der Regelbedarfe“ und zur „Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende“ endete im Verlauf des Jahres 2011 die Konstitutionsphase. In der sich anschließenden Entwicklungsphase der Grundsicherung für Arbeitsuchende nahmen Zahl und Frequenz der gesetzlichen Änderungen des SGB II ab. Stattdessen war die Fortentwicklung des SGB II in dieser Zeit von Experimenten und institutionellem Lernen auf allen föderalen Ebenen geprägt. Damit ging die Grundsicherung für Arbeitsuchende von einer Phase der intensiven Anpassung ihrer formellen Institutionen in einen Wandel vornehmlich auf informeller Ebene über.

Krisenphase

Die Entwicklungsphase ging mit der der Covid-19-Pandemie relativ abrupt in eine Krisenphase über, die bis heute andauert. Sowohl die Pandemie als auch der Krieg in der Ukraine führten zu teils sehr kurzfristigen gesetzlichen Interventionen. Zum einen sollte damit den wirtschaftlichen Folgen beider Krisen begegnet, zum anderen die Unterstützung, Förderung und Vermittlung der großen Zahl an geflüchteten Ukrainer*innen organisiert werden. Dies zeigt einmal mehr, dass die Änderungen des SGB II in Teilen Reaktionen auf exogene Schocks und Krisen sind.

In die Krisenphase der Grundsicherung für Arbeitsuchende fällt auch das zum Jahresbeginn 2023 in Kraft getretene Bürgergeld-Gesetz, mit dem diverse Einzeländerungen beschlossen wurden. Angesichts der kontroversen Debatte um das Bürgergeld sowie den fiskalischen Engpässen wurde bereits im Frühjahr 2024 die Reform der Reform eingeleitet. Weitere gesetzliche Änderungen sollten im Rahmen der sogenannten Wachstumsinitiative noch im Herbst vergangenen Jahres folgen, konnten nach dem Bruch der Ampel-Koalition aber nicht mehr realisiert werden. Damit dürfte die Reform des SGB II jedoch nur temporär unterbrochen sein. Mit weiteren gesetzlichen Änderungen nach der Bundestagswahl im Februar 2025 ist zu rechnen.

Literatur

Gellermann, Jan, Reinhard Penz & Philipp Ramos Lobato (2025): Wo steht die Grundsicherung für Arbeitsuchende nach der Bürgergeld-Reform? In: Wirtschaftsdienst, Jg. 105, H. 1.

Autoren

 

DOI: 10.48720/IAB.FOO.GA.20250218.01